Manfred Henninger About

Manfred Henninger

Manfred Henninger, dessen Werk zur Schule des Expressiven Realismus gehört, begann seine Kariere als Schüler Kokoschkas, folgte den Spuren Cézannes und fand früh seinen eigenen, sehr individuellen Stil.

Im Privaten wie auch in seiner Malerei hat ihn seine Umwelt stark geprägt, die er auf vielfältige Weise in seine Kunst integrierte.

Wie eine Art visuelles Tagebuch öffnet sich vor dem Betrachter die Welt eines Menschen, der sein Leben lang bemüht war, durch seine Kunst die Vereinigung des Menschen mit der Landschaft transparent zu machen und seine Eindrücke von den Kriegs- und Zwischenkriegsjahren zum Ausdruck zu bringen.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Henninger ein sich oft wiederholendes Motiv, der nackte badende Mensch in der Natur, das wir in ähnlicher Form bei Matisse finden, über viele Jahre hinweg begleitete, was für ihn „die Bewusstwerdung des Menschen als Teil der in ständigem Erschaffen befindlichen Natur“ bedeutete.

Am 2.12.1894 in Backnang geboren, zog Henninger als Freiwilliger 1914 in den Krieg, kehrte als Pazifist zurück und widmete sich neben seiner Lehrtätigkeit an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (ab 1949) bis zu seinem Tod am 05.10.1986 ausschließlich seiner Malerei.

Wie seine Kunst war auch sein Leben voller Bewegung. S begann 1933 mit seiner Flucht aus Deutschland ein entscheidender Abschnitt, der ihn und seine Familie zu einem nomadischen Leben im spanischen und später im schweizerischen Exil verbannte.

Ein Leben, das zeitweise von Flucht und Armut gezeichnet wurde, hinterlässt seine Spuren. Doch müssen diese nicht Schwere bedeuten. Dies zu transportieren und zu kommunizieren hat sich Brigitte Henninger zur Aufgabe gemacht. Sie verwaltet einen großen Teil des Nachlasses ihres verstorbenen Schwiegervaters Manfred Henninger, dem Mitbegründer der Stuttgarter Neuen Sezession. Einige der Werke, sowohl Ölbilder als auch Papierarbeiten, sind hier zu sehen. Sie geben einen Einblick in das Lebenswerk Henningers und laden zu einer Auseinandersetzung ein mit einem Menschen, der das Leben in all seinen Farben liebte, wofür ihn viele bewunderten.

Manfred Henninger, whose work appertains to the current of expressive realism, began his career as a student of Oskar Kokoschka, followed in the footsteps of Paul Cézanne and soon developed his own, highly original style.

Both in his private life and in his painting, he was strongly influenced by his environment, which he integrated into his art in numerous ways.

His work presents itself to the viewer as the visual diary of a man who strove all his life to disclose through his art the unity of man and landscape, documenting his impressions of the two World Wars and the interwar period.

It comes as no surprise, then, that Henninger spent many years working on the same recurrent motif, that of nudes bathing in a natural environment (a motif to be found, in a similar form, in the work of Matisse). Henninger associated this motif with “man’s realisation that he is a part of ever creative Nature“.

Born in Backnang (Germany) on 2 February 1894, Henninger enlisted in the German army in 1914. He returned from the war a pacifist and devoted himself to painting until his death on 5 October 1986, in addition to teaching at Stuttgart’s National Academy of the Visual Arts from 1949 onwards.

His life was as eventful as his art is dynamic. His 1933 escape from Germany opened an important new chapter in his life, marked by the nomadic life he and his family led in their Spanish and later Swiss exile.

Henninger’s years of exile and poverty left their mark – but not by rendering his work more sombre. Brigitte Henninger has devoted herself to raising awareness of Henninger’s work. She is the caretaker of a large part of the estate of her deceased father-in-law Manfred Henninger, a co-founder of the Stuttgart-based artist’s group Neue Sezession. Some of Henninger’s works, oil paintings and works on paper, can be seen here. They give an impression of Henninger’s life work and will hopefully provoke further interest in a man who loved all the colors of life, thereby earning the admiration of many who knew him.


Ein Bekenntnis zur Malerei

„Das Wesen, das in der Farbe liegt, ist ein Geheimnis, das man nur als solches zu erfassen vermag. (…) Die Farben haben eine Verwandtschaft, sowohl im Akkord (…) als auch in ihrer stofflichen Bildsamkeit mit den Schwingungen unserer Gefühlsanlagen. Das Verhalten der Farben zueinander stimmt mit den Schwingungen unserer Gefühlsanlagen, von Freude zu Schmerz, von Tod zu Leben, überein. So betrachtet, haben wir in der Farbe dieselbe geheimnisvolle Erscheinung vor uns, wie in der Sprache. Die einzelne Farbe, so gering die im Bild auftretende Quantität auch sei, stammt aus einem der Ströme, welche die Urfarbe sind und die immer durch die Welt und die Menschen fließen.“

Manfred Henninger, 1947

A Commitment to Painting

„The essence that lies in color is a mystery that one is only able to grasp as such. […] The colors have a kinship, both in accord […] and in their material pictoriality, with the vibrations of our emotional faculties. The behavior of the colors to each other agrees with the oscillations of our emotional faculties, from joy to pain, from death to life. Thus considered, we have the same mysterious appearance before us in color as in language. The individual color, however small the quantity appearing in the painting, comes from one of the currents which are the primordial color and which always flow through the world and the people.“

Manfred Henninger, 1947


„Als ich nach einer gefährlichen Reise den Schweizer Boden (1936) wieder betrat, atmete ich auf und glaubte neu an die Möglichkeit einer Existenz. Es zog mich an den Langensee (Lago Maggiore).

Die schwarzen Felsen schimmern nach dem Regen in rötlichen, bläulichen Tönen. Die Hintergründe, da die Berge hoch und nah sind und die Atmosphäre wenig mit Wasserdunst gesättigt ist, zeigen oft tiefes Blau.

Die Pflanzen, dies empfand ich besonders als ich von Spanien kam, wuchern in den niederen Gebieten tropisch und wirr durcheinander. Nirgends habe ich deutlicher das Gefühl gehabt, der Weltschöpfung beizuwohnen, als hier, wo alle Weltgegenden und alle Klimaten sich zusammengedrängt zeigen. Ich konnte diese Landschaft nie lieblich finden, dagegen ist sie voller Eigenwilligkeit, bizarr, voller Schöpfungsenergien in sichtbarer , aufregender Verwandlung.

Die Natur spricht hier ihre Worte deutlich, eindrucksvoll und lesbar für den, der ihr noch zuhören kann.

Manfred Henninger, Ein Bekenntnis zur Malerei, Zürich (1947)

„When I set foot on Swiss soil again after a dangerous journey (1936), I breathed a sigh of relief and believed anew in the possibility of existence. I was drawn to the Langensee (Lake Maggiore). The black rocks shimmer in reddish, bluish tones after the rain. The backgrounds, because the mountains are high and close and the atmosphere is hardly saturated with water vapor, often appear in a deep blue. The plants, and this struck me particularly when I came from Spain, proliferate tropically and haphazardly in the lower areas. Nowhere have I felt more clearly that I was witnessing the creation of the world than here, where all regions of the world and all climates are crowded together. I could never find this landscape lovely, but it is full of originality, bizarre, full of creative energies in visible, exciting transformation. Nature speaks her words here clearly, impressively and legibly for those who can still listen to her.“

Manfred Henninger, A Commitment to Painting, Zurich (1947)


Anlässlich der Ausstellung „Exiljahre im Tessin“ im Museum im Kleihuis-Bau vom 17. Mai – 15. November 2015

Texte der Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Museums Frau Dr. Irmgard Sedler

Überwältigt von den Energien mediterraner Naturentfaltung, wie sie der Mensch Manfred Henninger in der Abgeschiedenheit seiner Malerklause in der „Nebelmühle“ (Mulino del Brumo) zwischen Arcegno und Ronco sopra Ascona unmittelbar erlebt, huldigt ihr der Maler Henninger mit greadezu schöpferischer Besessenheit. Seine Naturverehrung erfährt zudem, begünstigt durch die von den äusseren Umständen auferzwungene materielle Selbstbeschränkung, eine bis ins Religiös-Schwärmerische übergehende Steigerung.

Henningers Gemälde entstehen im Freien, um im Atelier weiter ausgearbeitet zu werden. Die vielen Baum-, Felsen-und Bachlandschaften, die Lago Maggiore-Aussichten und die in üppiger Landschaften eingebetteten, oft nur andeutungsweise wahrnehmbaren Architekturen und Ortssilhouetten, verkünden über den Bewegungsfluss des Farbauftrags, über die vom deutschen Impressionismus kultivierte Tradition des Malerischen, von einem ungebrochenen Lebensoptimismus, den sich der deutsche Exilant auch in der prekären Lebenssituation im Tessin bewahrt hat.

Ein Besuch bei Charlotte Berend-Corinth 1939 am Vierwaldstätter See verstärkt die Resonanzbereitschaft Henningers für die kompositorischen Elemente der Malerei von Lovis Corinth. Zudem beginnt sich der Maler in den frühen 1940ger Jahren mit der Malweise Paul Cezannes auseinanderzusetzen. In diesem Sinne erscheinen Pinselaufträge kontrollierter, Farbaufträge homogener, das Erzählerische konkreter. Die späten Tessiner Gemälde, vor allem jene nach dem Umzug 1947 in die Villa Cavalli nach Verscio entstandenen, belegen diesen ansatzweisen Wandel bei aller Kontinuität in Henningers Oeuvre aus den Tessiner Jahren.

Bei aller Zurückgezogenheit hat Henninger in seiner Tessiner Zeit nicht außerhalb der Kunstszene in der Region gelebt. Dir räumliche Nähe zu den Lebensreformern am MonteVerità spielt mit hinein in Henningers Kult der Körpernacktheit, der sich u.a. im Motiv der Badenden am Fluss oder unter Bäumen widerspiegelt. Ab 1946 stellt Henninger mit dem Circole Verbano–Kreis der in Ronco ansässigen Malern mehrfach aus. Die Kontakte zu Peter Jordi, Heinrich Vogerer-Schüler in Fontana Martina und Sohn des dortigen Landkommunengründers Fritz Jordi, bringen ihm überdies den Werkstoff Keramik nahe.

Die Ausstellung im Kleihuis-Bau gibt auf knapp 800 qm Ausstellungsfläche einen Einblick in das Schaffen Manfred Henningers im Tessiner Exil. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der eigenen Sammlung des Museums. Diese wird ergänzt mit privaten Leihgaben. Das überaus produktive Schaffen Henningers während der Tessiner Jahre und die zahlreichen nicht überschaubaren, in Privatbesitz verstreuter Zeugnisse seiner Kunst, erlauben nur einen selektiven Blick über diese Zeit.


Anlässlich  der Ausstellung „Panta rhei“ im Museum im Kleihuis-Bau 2006

Texte von Irmgard Sedler, ehemalige Direktorin des Museums im Kleihuis Bau, Kornwestheim

Die künstlerische Entwicklung von Manfred Henninger, einem der Mitbegründer der Stuttgarter „Neuen Sezession“ im Jahre 1929, hat sich im Spannungsfeld von inneren und äußeren Zwängen vollzogen. Dem Kontinuum eines zutiefst in Henningers Persönlichkeit angelegten Malimpetus, der auf einer beinahe mystisch empfundenen „ Vereinigung des Menschen mit der Landschaft“ gründete, konnten die biographischen Brüche nur bedingt Zäsuren setzen, indem sie den Malenden zu ständig neuen Ansätzen verpflichteten. Solches ist greifbar in der Malweise durch den Übergang von der Ateliermalerei zum Plein air , in der Naturrezeption durch die Auseinandersetzung mit wechselnder Geographie und neuen Landschaftstypen, im Kompositorischen durch die Verschiebungen vom konturierten Bildgegenstand Mensch im Raum zur wirkungsvollen Osmose in der Fläche, der fluidal miteinander korrespondierenden Leiber, Gewässer und Baumlandschaften „als sei die Epidermis der Gestalten und der Dinge durchsichtig geworden, als seien sie miteinander verwoben in gemeinsamer Existenz“ (H.-J.Imiela, 1979).

Die Begegnung mit Oskar Kokoschka 1922 in Dresden, die Konfrontation mit der Antikensammlung im Albertinum, oder aber die innere Resonanzbereitschaft für die Kunst der Antike, die sich ihm auf der Spurensuche 1934 in Griechenland offenbarte – diese Erfahrungen fließen in die Bildauffassung Henningers während seiner frühen Stuttgarter Jahre mit ein. Sie sind Teil einer intensiven Auseinandersetzung des Malers mit der Natur als Landschaft, in der der Mensch seinen Platz hat, einer Kulturlandschaft im weitesten Sinne, wie sie die Freiluftbäder – und Steinbruchbilder vom Neckar vermitteln. Über Wasser und Stein, über Weich und Hart entfaltet sich jenes alle Formen überströmende, bewegte Farblicht, das bei Henninger von Anbeginn mehr als nur Impression im Festhalten des Sehmomentes ist, sondern der Ausdruck seines Eins-mit-der-Welt-sein-Gefühls.

Bei den auf Ibiza (1933 – 1936) gemalten Hafen – und Olivenhainbildern tritt einem die mediterane Lichtfülle in ihrer bunten Heiterkeit, hier ganz gezielt anden Gegenstand gebunden, entgegen. Sie bricht sich am Amorphen wie am Lebendigen, auch lässt sie die manchmal noch so flüchtig hingeworfene menschliche Gestalt nicht zur Staffage verkommen.

„Belehrt von den großen Franzosen und Korinth“ verschreibt sich Henninger dann im Schweizer Exil der erhabenen, unberührten Bergwelt des Tessins. Die Wald – und Berglandschaften derspäten dreißiger und der vierziger Jahre bekunden in ihren Anklängen an die Walchensee – Bilder des deutschen Vorbildes eine bis ins Schwärmerisch – Religiöse gesteigerte Naturverehrung, ein Gefühl der Entrücktheit, das sich durch die disziplinierte Pinselführung und die strenge Komposition in Anlehnung an Cezanne nur schwer bändigen lässt.

Im Spätwerk gelingt Henninger letztlich die große künstlerische Befreiung, „von da ab ist das Dionysische bei ihm aus den arkadischen Gefilden ausgebrochen“ (h.-J. Imieöla, 1979), Mensch und Landschaft sind eins geworden im Erleben des pantheistischen Weltgefühls.